Am See

19. April 2016 by in category Texte with 0 and 0
Der kurzen Gestade des Sees entlang, das Glitzern der sich leicht kräuselnden Wellen im Auge, schweift der Blick hinab, dorthin wo das Wasser das Ufer bricht. Diese vielen Wasservögel vereint um gemeinsam die riesigen Nahrungsberge der vielen Trostspendenden und -suchenden bewältigen zu können. Doch die friedlichen geflügelten BewohnerInnen der Seegestaden in diesen Tagen von der städtischen Bewohnerschaft ein wenig mit Argwohn bedacht. Und ja, meine aufgeklappten Ohrdeckel werden von passierenden Mündern mit Ausdrücken wie „Grippeli“ und „schon gefährlich“ gestreift. Es tönt unaufgeregt, sehr sachlich. Geradezu verinnerlicht das Vorgehen der zuständigen Behörden, die ja eben auch ganz unaufgeregt und sachlich auf dieses Grippeli reagiert haben.
Es handelt sich nicht um diese schlimmen Grippen, wie die Spanische, die uns heimgesucht.

Was die spanische Grippe war, das weiss ja jedes Kind. Wobei was denn die Kinder heute wissen so genau ich auch wieder nicht weiss. Und das ist ja weiss Gott auch nicht einfach.
Oft lese ich über all die Kinder, die gar nicht mehr lesen können, geschweige denn Schreiben.
Dieses Nichtkönnen sich dann wie ein Grippeli auf all jene ausbreitet, die eigentlich das schon könnten, wären sie nicht infiziert worden von diesem Sprachgrippeli, das viele Schulen heimsucht. Doch höre ich auch wie fasziniert die Kleinen schon ein, zwei, gar drei Fremdsprachen erlernen, und das in einem Alter wo ich noch Urs und Foxi auf einzelnen losen Blättern geschaut. Doch das war damals, als noch 68 Augen an den Lippen der Lehrperson hingen. Und zugegeben: auch ich würde nicht mehr in soviele Augen blicken wollen, wäre ich denn Lehrer. So schwanke ich, wanke zwischen Bewunderung und Verachtung für die Kleinen und weiss dann doch nicht, ob die spanische Grippe ihnen ein Begriff.

Ältere Menschen mit eigenen Kindern – ob geeinzelt oder vereint – wissen da schon viel mehr. Erinnern sich zumindest, was sie den Kindern gesagt oder auf den Weg gegeben haben.
Und um auf den Weg geht es ja auch bei dem Vogelgrippeli. Verschreckt schaute ich in den Mund eines Herrn, aus dessen das Wort „Scheisse“ gedrungen. Entfäkalisiert ging es darum, diesen friedlichen, jetzt aber nur noch sachlich zu begegnenden Wasservögeln nicht mehr zu nahe zu kommen oder auf jeden Fall deren Notdurft zu meiden. Denn wo Vögel auch Vogelscheisse und diese sich erstmal in der Sohle eines Winterschuhs so richtig eingenistet, die kurzen (weil öffentlich zugänglichen) Gestade des Sees dann schnell verlässt, und weder Tramstiege noch Gaspedale ihre Botschaft stoppen. Unsichtbar pflanzen sie sich in das vermeintliche Herz der Schuhtragenden, deren eigenen vier Wände. Kleine braune Krumen auf dem Flur nicht leuchten mit H5N1, nein, sie bleiben kleine braune Krumen. Unbedarft.
Unbedarft dürfen ältere Menschen über braune Krumen gehen, doch jene mit Nachwuchs beschickte diese Krumen kaum geheuer. Denn: wo gekrabbelt, wird auch gefressen.
Dreck zu fressen ja eigentlich eine gesunde Sache, Immunsystem anregend und so. So gesund das selbst die Pharmaindustrie ihre Dreckspillen auf den Markt schmeisst. Also der Dreck in den Pillen, diese mitnichten den Schmeissfliegen ähnlich, nein ganz banal rund in der Form und in verschiedenen Farben erhältlich. Nur keine Einfalt.

Aber eben, was für Krumen denn nun diese dort auf dem Teppich? Und jetzt schon von der Hand in den Mund gewandert. Und was nützt es dann zu wissen, ob die Kinder wissen wie das war mit dieser Spanischen???