Im ganz profanen täglich Dasein die Flecken mich stets begleiten. Und das nicht nur, weil ich Kinder habe und meine Robe schützen muss bei der gemeinsamen Speisung. Nein, auch alleine gelingt es täglich. Vom sich auffächernden Salatblatt, welches die darauf perlende Sosse in die Luft katapultiert bis zum Eckzahn in der Mandarine. Die Flecken sind mir treu.
Schutz gegen ungewollte Flecken gibt es viele, ja unzählige, von Camouflage über das in rostbraunen Tönen marmorierte Bistrotischchen. Von `Vanish` in der praktischen Sprühflasche bis zum Flickenteppich für Fleckenkinder.
Unsere Beziehung zum Fleck ist geradezu vielfältig gefleckt, ja wir sehen vor lauter Flecken den Feind nicht mehr. Er lauert wie ein Chamäleon in den Strassen auf uns. Kaum ausgespuckt wird weiss zu grau und rot zu schwarz. Die Aktiven von den Passiven zu unterscheiden von Auge schwer, doch ein leichtes Ziehen beim Vorwärtsfedern des Schuhplateaus alle Zweifel beseitigt. Unvergessen mein wallender Zorn als mein Gesäss sich seltsam langsam, ja fast zäh vom Tramsitz sich erhebt.
Ein Fleck. Die Flecken. Sie geben den Bildern Kontur, lassen die schweifenden Augen sich festkrallen. Ein Fleck fokussiert, zieht den Blick magisch an – ist einfach interessant. Fasziniert starren wir auf den Rotz am Blazer des Gegenübers, das Spinatblatt, das gänzlich unpassend von zarten weissen Beisserchen umrankt aus der Mundhöhle lächelt, der Pickel in der Nasenwölbung. Darüber hinwegsehen? Unmöglich. Und so spielen wir mit ihnen, diesen Flecken. Einen kleinen Leberfleck exakt auf der Höhe zwischen Nasenboden und Oberlippe, ca. 22 mm vom Mundwinkel entfernt aufgesetzt, verzaubert nicht nur im Fernsehen. Gut – als Mann diesen Fleck anzuheften? Ich sag mal: „Den Mutigen gehört die Welt.“
Es ist nicht nur alles äusserer Schein, nein, nein. Auch in unserem Inneren gibt es viele Flecken. Die Dunklen, von denen nur wir selbst oder unsere Nächsten wissen. Die noch zu entdeckenden, denen wir vielleicht auch nie begegnen werden und die Vielen, die unsere Organe säumen und sich in wenigen gebundenen Bänden und Händen des medizinischen Standes stapeln. Es sei denn Sie rauchen. Dann bekommen Sie täglich ihr Bildlein Populärkultur zum Tabak dazu.
Wir werden älter. – . Und haben die ersten inneren Flecken, als Ausstülpung oder Verfärbungen unsere Oberfläche erreichen, werden diese minutiös beäugt, verärgert angeschaut oder mit einer grossen Willensleistung übersehen. Allein, sie bleiben und mehren sich, unmerklich. Und wir? Wir lassen sie altersweise gewähren, kümmern uns nicht weiter, heissen sie willkommen als stille Begleiter. Mehr aber auch nicht!
So leben wir in einer Welt von Flecken und Schnipseln, halten uns an Erinnerungen, einzelne Flecken, im Gehirn. Fügen Verschiedenste wieder frisch zusammen und deuten die Flecken der Vergangenheit neu. Quasi erfinden wir fortlaufend unsere eigene Geschichte. Bewusst ausgespart, unbewusst zusammengefügt. Wir weben wie die Spinnen unsere Bahnen im Kopf und freuen uns mit jenen, die ähnliche Flecken geboren, staunen über diese, die von anderen Flecken beseelt und entschlafen sanft wenn alle Flecken uns verlassen.